Raue Seeluft pfeift übers Deck und meine Finger sind beinahe zu steif, um weiterzuschreiben. Die Sonne steht tief und lässt die Eisschollen auf dem grauen Ozean leuchten wie vom Himmel gefallene Sterne. In diesen Breitengraden schmilzt das Eis selbst in den Sommermonaten nicht. Im Winter härtet es sich wie ein Panzer, zermalmt Schiffe und spaltet Gestein. Seit Urzeiten bedeckt es die Polkappen der Erde und wird bis in alle Ewigkeit bestehen bleiben. Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass es in dieser unsteten Welt noch Dinge gibt, die unveränderlich sind. Unantastbar. Auch wenn die Flamme der Zivilisation noch so hell lodert, sind unsere Spuren im Eis nur Funkenschläge. Die Menschheit wird eines Tages vergehen wie so viele Spezies vor ihr. Das Eis ist ewig.
Das ist ein Auszug aus meiner Kurzgeschichte »Ewiges Eis«, die ich zur diesjährigen Qindie-Anthologie Dunkle Wasser beigesteuert habe. Die Geschichte spielt während einer Forschungsexpedition im Nordmeer anno 1897. Damals mag es diese Vorstellung vom ewigen Eis tatsächlich noch gegeben haben – heute wissen wir, dass schon ein paar Grad Klimaerwärmung unsere Polkappen unaufhaltsam schmelzen lassen.
In der Geschichte wird ein seltsamer Gegenstand an Bord des Expeditionsschiffs gespült. Und erst in der warmen Schiffskajüte enthüllt er sein schauriges Geheimnis. Für »Ewiges Eis« habe ich Climate-Fiction mit Grusel à la Lovecraft und einer Prise Feminismus gemischt. Trotz des kalten Settings ist der Text übrigens im vergangenen Hitzesommer bei über 30° C Wohnungstemperatur entstanden. Der Klimawandel lässt grüßen.
Die Anthologie gibt es als Taschenbuch im Kindle-Format bei Amazon und als E-Book in vielen weiteren Shops, zum Beispiel bei Thalia oder Weltbild.
Infos zu Qindie findest du hier: Qindie – Das Autorenkorrektiv